Dr. Gisela Knobloch-Stockhausen (1913–2006) und Günter Stockhausen (1907–1999) haben die Sammlung des Museums mit bedeutenden Schenkungen der Kunst der 1960er und 1970er Jahre um ein eigenes Kapitel ergänzt. Sie trugen eine Gruppe kleinformatiger Arbeiten zusammen, die die Kunst der 1960er und 1970er Jahre repräsentiert, die sowohl für das Rheinland als auch international eine wichtige Rolle spielt und verschiedene künstlerische Positionen vergegenwärtigt.
Bestimmend für die Struktur der Sammlung Stockhausen war die Freundschaft mit Krefelds Museumsdirektor Paul Wember und dem Galeristen Alfred Schmela. Exemplarisch zu nennen seien nur einige Namen, die heute das Who-is-who der Kunstszene der 1960er und 1970er Jahre darstellen: Yves Klein, Gerhard Richter, Joseph Beuys, Richard Tuttle, um nur einige wenige zu nennen. Die Werke gelangten dank mehrerer großzügiger Schenkungen von Günter Stockhausen und Dr. Gisela Knobloch-Stockhausen in den Besitz des Museums.
Gerhard Richter ist zweifellos einer der berühmtesten deutschen Maler der Gegenwart. Vielfach verwendet er Bilder aus Zeitungen, Illustrierten und eigene Photographien als Vorlagen für seine Gemälde. Eines seiner zentralen Themen ist das Verhältnis von Realität, Bildwirklichkeit und Abbild, so auch bei dem Gemälde „Umgeschlagenes Blatt“ aus dem Jahr 1965, von dem in der Klever Sammlung noch eine druckgraphische Variante existiert. Das Bild ist ein trompe l’œil im klassischen Sinne: ein Spiel mit der Realität.
Cy Twombly gehört zur zweiten Generation des Abstrakten Expressionismus und ist berühmt geworden durch Bilder einer stark skripturalen Handschrift und einer expressiven Gestik, die seine psychische und physische Präsenz manifestieren. Zentral bei ihm ist die Linie als Zeichen und Spur einer Bewegung. Sie ist auch das vorherrschende Element von „Ohne Titel“, vermutlich aus dem Jahr 1965. Mal ist sie zu einem knäuelhaften Geflecht verdichtet, mal wurde ein Strich wieder verwischt, mal gibt es zarte, kaum wahrnehmbare geometrische Setzungen mit dem Bleistift. Es wirkt, als wolle Twombly die unterschiedlichen Spielarten einer Linie erproben.
Der Minimal Art nahe stehen die beiden Amerikaner Richard Tuttle und Robert Morris. Die Arbeit von Richard Tuttle nennt sich „Study for a bigger piece“. Sie gehört in eine Reihe von Plastiken aus bemaltem Holz der Jahre 1964–1965, die an geometrische Formen erinnern, doch antigeometrisch gemeint sind. Ist der Grundsatz der Minimal Art Strenge und Reduktion, kommen im Werk von Tuttle Offenheit und Leichtigkeit hinzu. Er ist Bildhauer, Maler und Zeichner zugleich. „Study for a bigger piece“, eine geschwungene Linie, lässt sich als Zeichnung lesen, sie ist aber zugleich auch Malerei und ein Stück Skulptur an der Wand.
Die unbetitelte Arbeit aus dem Jahr 1964 von Robert Morris ist in ähnlicher Weise ebenso Gemälde wie Skulptur. Nicht auf der Oberfläche hat Morris gemalt, sondern mit Hilfe der Oberfläche: einer Bleiplatte, unter der ein Objekt, eine Messlatte, versteckt ist. Im Grunde handelt es sich also um eine verdeckte und verhüllte Assemblage, die zugleich plastisch und malerisch erscheint. Die Zahlen der Messlatte haben sich durch das Blei gedrückt, Wellen scheinen von ihr wie seismische Schwingungen auszugehen. Das Material spielt bei Morris’ Arbeiten stets eine bestimmende Rolle, es soll sich entfalten und verändern können.
Günther Uecker, ein führender Vertreter von „Zero“, setzt sich mit der Wirkung des Lichts auseinander. Uecker ist berühmt für seine „Nagelbilder“: weiß bemalte Reliefs, bei denen durch die unterschiedliche Ausrichtung und Anordnung der Nägel eine Wechselwirkung von Licht und Schatten entsteht und der Eindruck von Dynamik und Vibration erzeugt wird. Bei seiner Stele aus dem Jahr 1960 erlebt man Licht- und Schattenspiel im Umschreiten der Skulptur. Ihre Bewegung entwickelt sich nicht in der Fläche, sondern kreisförmig im Raum.
Die Auseinandersetzung mit der Farbe und ihrer Wirkung war ein besonderes Anliegen der Künstler in den 1960er Jahren: Weiß bei Uecker, Blau bei Yves Klein. In der Sammlung des Museums befinden sich zwei Arbeiten von Yves Klein: das Gemälde „Monochrome bleu“ aus dem Jahr 1960 und eine Schwammskulptur aus dem Jahr 1961. Der Schwamm wurde mit Blau getränkt und dadurch entmaterialisiert. Das einfache Naturprodukt gewinnt so einen poetischen Charakter. Farbe ist bei Yves Klein der Bedeutungsträger, nichts sollte davon ablenken. Fast ausschließlich benutzte er ein leuchtendes Ultramarinblau, sein Ultramarinblau: 1957 ließ er es sich als IKB (International Klein Blau) patentieren. Blau steht für Freiheit und Unendlichkeit, so unendlich strahlend blau vielleicht wie der Himmel in Südfrankreich.
„Sleeping wakes me, being happy makes me unhappy“, 1970, des französischen Fluxus-Künstlers Robert Filliou wirkt irritierend und widersprüchlich. Auf einer Holzplatte hat Filliou kreisförmig Nägel eingeschlagen, die mit einem Draht verbunden sind. Mittig im Kreis ist das titelgebende Textfeld eingefügt, das ein nicht logisches Ursache-Wirkung-Prinzip andeutet. Filliou spielt auf den stetigen Wandel von Bewusstseins- und Gefühlsebenen an, und zwar auf eine philosophisch- humoristische Art und Weise.
Dieter Roth setzt sich in seinem Werk mit den alltäglichen Hinterlassenschaften der Gesellschaft auseinander. Er schuf Arbeiten aus organischen Materialien, die sich mit der Zeit verändern und dem natürlichem Zerfall unterworfen sind, etwa Lebensmittel und Speisereste. Dass Schimmel entstand oder Insekten seine Gemälde und Objekte auffraßen, war von ihm gewollt. Beim sog. „Apfelmatschbild“ bedeckte er ein Zeitungsbild u.a. mit Resten eines Apfels und stieß so einen unabwendbaren Zersetzungsprozess an.
Abfall und gebrauchte Gegenstände aus der industriellen Produktion kennzeichnen auch das Werk von Arman. In seiner Werkgruppe der „Akkumulationen“, zu der das Werk „New York Industrial Building“, 1963, gehört, stapelt er gleichartige Dinge – hier: Zahnräder aus Metall – sorgfältig neben- und übereinander. Er gibt dabei den Relikten der Zivilisation einen neuen ästhetischen Charakter.
Yaacov Agams „8 + 1 in Bewegung“, 1955–1960, ist ein Multiple zu einer großformatigen Arbeit aus dem Jahr 1953 im Israel Museum in Jerusalem. Acht weiße Stäbe sind übereinander auf schwarzem Grund montiert. Doch einige Löcher sind freigelassen. Der Betrachter wird ins Werk integriert und ist aufgefordert, seinen eigenen Rhythmus zu komponieren. „8 + 1 in Bewegung“ – das sind die unendlichen Möglichkeiten, wie die eine Grundplatte und die acht Stäbe sich zueinander verhalten können.
Christo, bekannt für seine spektakulären Verhüllungsaktionen in aller Welt, ist mit seiner Arbeit „Ohne Titel (Package)“, um 1963, in der Sammlung präsent: ein kleines Bündel aus Stoff, zusammengeschnürt mit Kordeln. Es ist unmöglich zu sagen, was in dem Bündel verpackt ist. Im Grunde ist das auch nebensächlich. Das Geheimnis, das Rätsel ist das Entscheidende.