Wilhelm „Willy“ Maywald entstammt der angesehenen Hoteliers-Familie, die bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg das Grand-Hotel Maywald an der Nassauerallee in der Klever Oberstadt geführt hat. Von Kindesbeinen an nahm „Willy“ Maywald regen Anteil an der noblen Gesellschaft aus „russischen Prinzessinnen und englischem Adelshaus“, die Kleve zur Kur besuchte und das Hotel regelmäßig frequentierte.
Als Kind und Jugendlicher schulte sich in dieser Umgebung sein ästhetisches Urteil, das er später an Schulen in Köln und Krefeld, ab 1928 in Berlin ausbaute, wo er sich mit Kunst, Architektur, Literatur und Musik beschäftigte.
1931 schoss er sein „erstes richtiges Photo“, eine Ansicht einer Laterne bei Nacht in Berlin, deren Licht sechseckige Muster auf die Straße zeichnet. Durch die Veröffentlichung des Photos in einer Zeitschrift angeregt, kehrte er den Sommer über nach Kleve und an den Niederrhein zurück, um zu photographieren. Schon lange war ihm Kleve zu klein und zu provinziell geworden. In der konservativ-bürgerlichen Stadt mit ihren biederen Ansichten konnte er seinen Lebensstil und seine Homosexualität nicht ausleben. Doch durch seine Eltern und den heimatlichen Besitz fand er Zeit seines Lebens dorthin zurück und schuf bei jedem Besuch Photoserien.
Anfang der 1930er Jahre nahm er das romantische Gesicht des alten Kleve auf, das vor dem Zweiten Weltkrieg reich an klassizistischen Villen und gründerzeitlichen Bürgerhäusern war. Verheerend waren seine Aufnahmen von 1947, als er nach langen Jahren wieder in seine Geburtsstadt zurückkehrte und mit der Kamera in der Hand die Zerstörungen dokumentierte. 1958/59 schuf er im Auftrag der Stadt Bilder des wiederaufgebauten und modernen Kleve.
1931 zog er nach Paris, das ihm – nur unterbrochen durch die Vertreibungen des Zweiten Weltkriegs – von da an zum Lebensmittelpunkt wurde. Dort ist er durch seine Modephotographien und Künstlerporträts berühmt geworden. Durch seinen Sinn für Ästhetik und seine unkomplizierte Art wurden die Pariser Kunstschaffenden schnell auf ihn aufmerksam. 1947 nahm er die erste Kollektion des Modeschöpfers Christian Dior auf, die später als „New Look“ in die Modegeschichte einging.
Die Aufnahmen machten ihn bekannt und verschafften ihm weitere Modeaufträge. Vor dem Krieg, aber vor allem danach photographierte er Künstler*innen, Schauspieler*innen und Literat*innen in den Pariser Cafés, Theatern oder Künstlerateliers. Seine Aufnahmen u.a. von Picasso, Chagall oder Léger sind in vielen Künstlermonographien über diese Zeit zu finden.
Im Museum Kurhaus Kleve befinden sich über 350 Photographien von Willy Maywald, deren Fokus auf Aufnahmen von Kleve und der Umgebung liegen, unter denen sich aber auch zahlreiche Photographien von Künstler*innen und Schauspieler*innen finden. Einzelne Modephotographien, für die Maywald heute in die Modegeschichte eingegangen ist, konnten später ebenfalls hinzuerworben werden.
Die Photographien wurden von Margrit Loh gestiftet, die der Duisburger Industriellenfamilie Loh entstammte, den Inhabern der Margarine-Fabrik Schmitz & Loh AG. Ihr Vater hatte neben seinem Duisburger Stadthaus auf dem Katzenbuckel in Moyland eine Sommervilla errichten lassen, die 1945 beim Einmarsch der Alliierten weitgehend zerstört worden war. In den Nachkriegsjahren blühte die Firma wieder auf – der Bedarf nach Margarine war in den ersten Jahren nach dem Krieg sehr groß. Später sollte die Firma in den Unilever-Konzern übergehen.
Margrit, zunächst eingebunden im Firmenunternehmen, fühlte sich schon früh der Kunst verbunden. Ihre ersten entscheidenden Erfahrungen mit Kunst und Künstler*innen machte sie als junges Mädchen auf Haus Wylerberg, der berühmten, von Otto Bartning in Beek entworfenen expressionistischen Villa, erbaut und bewohnt von Marie Schuster (geb. Hiby), einer Schulfreundin von Helene Kröller-Müller. Hierhin mitgenommen hat sie wahrscheinlich die Gartenarchitektin Elisabeth Renner. Diese war von Marie Schuster unmittelbar nach Abschluss ihres Gartenbaustudiums „entdeckt“ und für Wylerberg engagiert worden. Auf Wylerberg gestaltete sie den Garten und auch die Grünanlagen des Strandbades Wylerberg und des angrenzenden Gasthofes „Startjeshof“. Elisabeth Renner war eine starke Persönlichkeit mit einem scharfen und wachen Auge für Kunst. Marie Schuster, die mit dem alten Ehepaar Loh bekannt war, empfahl sie als Architektin für den Garten der ersten, 1945 zerstörten Moyländer Villa. In dieser Zeit hat Elisabeth Renner die junge Margrit Loh kennengelernt und das Mädchen auf Haus Wylerberg eingeführt.
Hier eröffnete sich für die Margrit eine neue faszinierende Welt von Kunst, Musik und Literatur, die ihr Leben prägen sollte. In den 1930er Jahren war das stets offene Haus Wylerberg zu einem Refugium für viele progressiven Künstler*innen wie z.B. Heinrich Campendonk und Ewald Mataré geworden. Gerne erzählte Margrit Loh von ihren Besuchen als junges Mädchen auf Wylerberg, wie Marie Schuster ihr abends ein Buch auf dem Nachttisch legte – mit der Aufforderung, am nächsten Morgen beim Frühstück darüber zu berichten.
Das hochstehende Leben auf Wylerberg erfuhr durch den Krieg ein jähes Ende. Im Februar 1945 wurde die Villa beim Aufmarsch der Alliierten geplündert und vom herrlichen Inventar mit den vielen bedeutenden Kunstwerken holländischer Meister blieb nichts übrig. Weitere Erfahrungen mit Kunst und Künstler*innen sammelte Margrit Loh während ihrer Lehre bei der Düsseldorfer Galerie Conzen. Hier lernte sie schon früh den Düsseldorfer Maler Bruno Goller kennen, von dem sie später mehrere Bilder besitzen sollte. Neue Künstlerkreise erschlossen sich für die junge „Muck“ Loh, als sie von ihren Eltern zur Familie des Bildhauers Defregger, einem Sohn des berühmten Münchner Malers Franz von Defregger, nach München geschickt wurde.
In den Nachkriegsjahren blühte die Firma ihrer Eltern wieder auf. Zunächst engte das Familienunternehmen sie beruflich ein, später gab es ihr den Freiraum für ein finanziell unabhängiges Leben, das sie sehr eigenwillig und großzügig gestalten sollte. Anfang der 1950er Jahre wollte Margrit Loh eine eigene Galerie eröffnen und erwarb von ihrem ersten eigenen Geld eine Reihe von Kunstwerken, unter anderem von Ewald Mataré – Investitionen, die vom Vater kritisch gesehen wurden. In diesen Jahren intensivierte sich auch der Kontakt der jungen Muck Loh zur wesentlich älteren Elisabeth Renner, die zunächst ihre Lehrmeisterin war und später ihre Gefährtin wurde. In dieser Zeit fällt auch eine mehrere Jahre andauernde persönliche Freundschaft zu dem großen Kämpfer und Interpret der Moderne, Werner Haftmann (1912–1999).
Auf dem geschützten Moyländer Grundstück entstand in den 1950er Jahren ein neuer Bungalow, den Margrit zusammen mit Elisabeth Renner bewohnte und ausgebaut hat. Das Moyländer Haus hat sich im Laufe der 1950er und 60er Jahre mit einer bedeutenden Kunstsammlung gefüllt. Herausragende Werke wie Gemälde von Emil Nolde und Bruno Goller fanden hier einen Platz neben vielen Kunstwerken befreundeter Künstler*innen. Wie bereits Marie Schuster sammelte sie eher Künstlerfreundschaften als Kunstwerke. Freundschaften waren für Muck Loh von zentraler Bedeutung. Ihre Hilfsbereitschaft, ihre herzliche Zuwendung und ihre Großzügigkeit kannten oft keine Grenzen.
Großen Einfluss übte der aus Kleve stammende, in Paris und der Provence lebende Photograph Willy Maywald auf beide aus. Margrit Loh und Elisabeth Renner erwarben in seiner Nähe in der Provence ein Haus. In dieser Umgebung lebte auch der aus Kleve stammende Bildhauer Peter Theunissen. Beide ermöglichten ihnen gemeinsam den Zugang zu vielen in Südfrankreich lebenden Künstler*innen, u.a. zu Alexander Calder. Auch der Kontakt mit dem aus Bulgarien stammenden, informellen Bildhauer Zoltan Kemeny (1907–1965), der 1964 mit dem Großen Preis für Bildhauerei auf der Biennale von Venedig ausgezeichnet wurde, und dessen Frau Madeleine kam über Willy Maywald zustande. Die lange Galerie in ihrem Moyländer Bungalow war komplett gefüllt mit dessen Werken.
Als Elisabeth Renner 1987 verstarb, ließ Margrit Loh von dem niederländischen Bildhauer Huub Kortekaas, der in seinen Arbeiten auf besonderer Weise die Natur miteinbezog, ein Doppelgrab für Elisabeth Renner und sich für den Evangelischen Friedhof von Moyland entwerfen. Heute befindet es sich auf einem Duisburger Friedhof, und beide ruhen hier nebeneinander. 1987, im Todesjahr von Frau Renner, stiftete Margrit Loh zwei große Wandteppiche nach Entwurf von Lotte Marx-Colsman für die Evangelische Kirche in Moyland. Sie förderte in dieser Zeit auch die Aufstellung der Skulptur „Klever Mönch“ von Kortekaas für die Klever Fußgängerzone.
Margrit Loh lebte in Moyland für das niederrheinische Umfeld im Verborgenen. Sie hatte nur wenige Vertraute in Kleve, obwohl sie in den frühen 1990er Jahren für Bürozwecke ein kleines Haus an der Tiergartenstraße erwarb. Anlässlich ihres 70. Geburtstages im Frühling 1993 versammelte sie alle ihre Freunde auf dem Hof des Bruders von Peter Theunissen in Huisberden um sich. Das Fest wurde zum Abschluss mit einem spektakulären Höhenfeuerwerk bekrönt. Einige Jahre später, im Frühling 1997, gab sie ihr wunderbares Haus mit dem großartigen Garten in Moyland unerwartet auf und zog nach Zug in der Schweiz, in ein in den 1950er Jahren mit dem Schweizer Architekturpreis ausgezeichnetes Haus mit einem herrlichen Blick über den Zuger See. Hierhin nahm sie auch ihre Sammlung und die vielen Gartenskulpturen aus Moyland mit. Die Schweiz wurde nun der Mittelpunkt ihres Lebens.
Peter Theunissen, von dem sie eine Reihe monumentaler Skulpturen in ihrem Garten aufstellte, blieb sie bis zu ihrem Lebensende verbunden. Auch das Werk von Willy Maywald förderte sie nach dessen Tod 1986 weiterhin. So ermöglichte sie mehrere Ausstellungen seiner Photographien, unter anderem im Haus Koekkoek, „Bilder vom Niederrhein“. Aus diesem Anlass stiftete sie nicht nur alle Bilder dieser Ausstellung dem Klever Museum, sondern auch ihre Sammlung von seinen Künstlerporträts. Noch im Herbst 2010 reiste sie zur Eröffnung einer glanzvollen Maywald-Retrospektive nach Chemnitz.
Margrit Lohs intensive Beschäftigung mit dem Klever Museum umfasste schwerpunktmäßig die achtziger und neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts. In Vorfreunde auf die Eröffnung des Museum Kurhaus Kleve, das sie auch als „ihr“ Museum bezeichnete, unternahm sie mit dem Gründungsdirektor Guido de Werd mehrere Reisen, um Museumsneubauten zu besichtigen. Ihre Begeisterung war groß, als deutlich wurde, dass das neue Klever Museum den Nachlass von Ewald Mataré aufnehmen würde.
Zur Eröffnung des Museums im April 1997, für die sie eigens aus der Schweiz anreiste, erleichterte sie durch eine großzügige Spende die Herausgabe der vier Eröffnungskataloge. Auf der großen Publikumseröffnung am Samstag, dem 19. April 1997 mit mehr als tausend Gästen, spielte ein von ihr über viele Jahre geförderter Pianist. Nach ihrem Weggang vom Niederrhein wurden die Kontakte zwischen Margrit Loh und dem Klever Museum seltener.
Für das Museum Kurhaus Kleve war Margit Loh in den Jahren seines Werdens eine kenntnisreiche stimulierende und großen Anteil nehmende Gönnerin, die durch ih großherzige Stiftung an Photographien von Willy Maywald die Sammlung des Museums glänzend bereichert hat und so dem Haus für immer verbunden bleibt.
Willy Maywald auf der Treppe seines Ateliers in der Rue de la Grande Chaumière in Paris, Anfang der 1950er Jahre (Photographie Horst Trebor Kratzmann)
Willy Maywald, Porträt von Pablo Picasso (1881–1973) am Strand von Golfe-Juan an der französischen Côte d’Azur, 1947
Willy Maywald, Porträt des französischen Malers Fernand Léger (1881–1955), dargestellt in seinem Atelier in Paris, auf der Rue Notre-Dame-des-Champs, 1942-62
Chronist des wieder aufgebauten Kleves nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Willy Maywald, Kinder und Erwachsene mit Luftballons bei der Kirmes am Schweinemarkt in Kleve, 1958/59
Willy Maywald, Porträt des französischen Malers Fernand Léger (1881–1955), dargestellt in seinem Atelier in Paris, auf der Rue Notre-Dame-des-Champs, 1942-62
Chronist des wieder aufgebauten Kleves nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Willy Maywald, Kinder und Erwachsene mit Luftballons bei der Kirmes am Schweinemarkt in Kleve, 1958/59