Richard Long (*1945 in Bristol/England) zählt zu den Begründern und Hauptvertretern der Land Art. Durch Gehen in der Natur und Sich-bewegen im Raum stellte Long eine besondere Beziehung zwischen Mensch und Natur in Raum und Zeit her, die sich als prägendes Motiv in seinem mittlerweile über 50-jährigen Œuvre manifestierte.
Long, der am West England College of Art in Bristol (1962–65) und an der St. Martins School in London (1966–68) studierte, entwickelte sein Werk in einer Zeit, in der angesichts der Folgen des mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden Zweiten Weltkrieges weltweit ein Wandel der Gesellschaft stattfand. Dieser war geprägt von bedeutenden sozialen Umwälzungen sowie gesellschaftspolitischen Umdenkprozessen und spiegelte sich auch in der Kunst wider.
Während sich die Künstler*innen zu Anfang der 1950er-Jahre überwiegend mit der Abstraktion auseinandersetzten, gingen gegen Ende der 1950er-Jahre zunehmend auch performative Darbietungen als Werke hervor. Diese zielten darauf ab, die Kommunikation zwischen Künstler*in und Rezipient*in nicht durch objekthafte Artefakte, sondern den menschlichen Körper als Medium schöpferischer Entäußerungen herzustellen. Dabei stand vor allem der künstlerische Werkprozess mitsamt seiner Vergänglichkeit im Fokus.
Anhand Longs sogenannter „Walking Sculptures“, die direkt in der Natur entstehen und nachher nur noch auf den dokumentierenden Photographien existent sind, wird deutlich, wie sehr der Künstler von der Entwicklung der performativen Kunst und der ihr inhärenten ephemeren Prozesshaftigkeit geprägt wurde. Sein Werk wurde unter anderem mit dem „Turner Prize“ (1989) oder dem „Praemium Imperiale“ (2009) sowie mit der Teilnahme an der documenta 5 und 7 in Kassel und der Biennale in Venedig (1976) international ausgezeichnet. Seine Arbeiten sind in Museen, Galerien und Sammlungen auf der ganzen Welt vertreten.
Richard Long besitzt eine enge Beziehung zum Rheinland und zum Museum Kurhaus Kleve. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen war für seine Karriere prägend und spielt für ihn bis heute eine wichtige Rolle. 1968 stellte der damals 23-Jährige in der gerade neu eröffneten und heute international etablierten Galerie von Konrad Fischer (1939–1996) in Düsseldorf die Arbeit mit dem Titel „Sculpture for Konrad Fischer“ aus, die mittels Tausender aneinander gereihter Weidenstöcke gefertigt wurde und sich heute im Besitz der Kunstsammlung NRW befindet. Im Jahr darauf folgte Longs erste Einzelausstellung im Museum Haus Lange in Krefeld, bei der das Werk „Walking the Line“ entstand. Dafür schuf Long im Garten des Museums durch ständiges Auf- und Abgehen eine Linie im Rasen, die als Photographie bis heute zu seinen bekanntesten Arbeiten zählt.
Im Museum Kurhaus Kleve hinterließ der Künstler schon kurz nach der Eröffnung 1997 seine Spuren: 1999/2000 fand mit „Being in the Moment – A Portfolio of Four Prints“ seine erste Einzelausstellung im Haus statt, woraufhin bereits ein Jahr später die Ausstellung „Richard Long: Midday“ folgte. Eigens für diese fertigte der Künstler die sogenannte „Midsummer Flint Line“ an, eine Linie aus Norfolk Flint Steinen, die er in der Galerie des Museums installierte. 2013 präsentierte er schließlich unter dem Titel „Richard Long – Prints 1970–2013“ seine selten zu sehenden graphischen Arbeiten.
Das Museum Kurhaus Kleve, angesiedelt am Barockgarten des Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604–1679), ist ein idealer Standort für die Werke Longs. Die Architektur des Hauses forciert bewusst den Dialog zwischen Innen- und Außenraum, um dadurch gemeinsam mit den Besucher*innen, die sich darin bewegen, immer neue Geschichten hervorzubringen. In diesem Sinne ist auch der Skulpturbegriff von Long geprägt, denn der Künstler versteht seine Wanderungen in der Natur als skulpturale Handlungsvollzüge in Raum und Zeit, die für die Rezipient*innen anhand ihrer Dokumentationen durch Photographien, sogenannten Textskulpturen, oder Graphiken Form annehmen und festhalten, was längst nicht mehr existiert.
„A sculpture, a map, a photograph; all the forms of my work are equal and complementary. The knowledge of my action , in whatever form, is the art. My art is the essence of my experience, not a representation of it.“ (Zitat Richard Long, in: Richard Long. Books Printed Matter, The New York Public Library, 1994).
Viele Jahre lang wurde Richard Long von dem Niederländer Gerard Vermeulen (1946–2019) begleitet, einem von seiner Kunst begeisterten Liebhaber, der sich über die Jahre hinweg durch seine akribische Auseinandersetzung mit seiner Kunst zu einem exzellenten Kenner der Materie und freundschaftlichen Wegbegleiter entwickelt hat.
Vermeulen fertigte 49 Aktenordner aus den Jahren 1969 bis 2018 über Longs Werks- und Ausstellungschronik an, die eine gänzlich neue Facette der Systematik der Vorgehensweise, performative Kunst auszustellen, zum Vorschein bringt. Vermeulen sah es als logische Konsequenz an, seine Chronik der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als er 2019 starb, vermachte er sein Archiv daher dem Museum Kurhaus Kleve, das es in der Ausstellung „49 Aktenordner. Richard Long & das Ausstellen von Ausstellungen“ (23.07.-20.11.2022) erstmals der Öffentlichkeit präsentierte und durch die Onlinestellung des Archivs auf seiner Sammlungswebsite unter www.sammlung.mkk.art permanent zugänglich macht.