1982 übergab die Familie des Rheinberger Notars Robert Angerhausen (Krefeld 1901–1966 Rheinberg) dessen „Niederrhein-Sammlung“ dem Städtischen Museum, das damals noch im Haus Koekkoek untergebracht war. Die ca. 5.000 Exponate umfassende Sammlung, die ca. 3.000 Kupferstiche, 200 Handzeichnungen, eine Sammlung alter Drucke sowie eine umfassende Bibliothek zur Kulturgeschichte des Niederrheins beinhaltet, hatte Robert Angerhausen seit 1920 bis zu seinem frühen Tod 1966 mit ungeheurem Einsatz aufgebaut.
Das Ergebnis stellt eine bis heute einzigartige und eindrucksvolle Sammlung dar, die die politische, religiöse, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Niederrheins nahezu vollständig darstellt. Sie umfasst viele Teilsammlungen, von denen einige bereits publiziert worden, andere noch völlig unbearbeitet sind.
Einen ersten Meilenstein in der Erforschung dieser Sammlung stellte 1993 die wichtige Publikation unter dem Titel „Der Niederrhein“ dar, die von Ursula Geißelbrecht-Capecki bearbeitet wurde. In zehn Kapiteln skizzierte sie darin ein fesselndes Bild der Geschichte des Niederrheins. Die ersten sieben Kapitel sind den Kriegen am Niederrhein, vom Geldrischen Krieg (1539–1543) bis zu den napoleonischen Kriegen und der Gründung der Rheinprovinz im frühen 19. Jahrhundert gewidmet.
Danach folgen Darstellungen über das kulturelle Leben am Niederrhein, ein Überblick über die gedruckten Städtebücher, Veduten und Reisebeschreibungen des 16.–19. Jahrhunderts und über die Künstler*innen, vor allem die niederländischen, die den Niederrhein zeichneten. Außer Betracht gelassen wurden in dieser Auswahl die umfassende kartographische Sammlung, die eine eigene Bearbeitung erfordert, sowie die Künstlergraphik.
Die „Sammlung Robert Angerhausen“ ist enorm umfangreich und vielschichtig. Für den hier vorliegenden Text sind, um der enormen Vielfalt gerecht zu werden, nur einige Beispiele aus den verschiedenen Facetten der Sammlung herausgegriffen worden. Eingangs unbedingt zu nennen sind die Kupferstiche und Flugblätter, die Klever Ereignisse des 16. Jahrhunderts thematisieren, so der „Fußfall des Klever Herzogs vor Kaiser Karl V. in Venlo“ 1543 (als er das Herzogtum Geldern an diesen abtreten musste) sowie ein „Ehrengrab für den Klever Jungherzog Karl Friedrich“, der auf einer Bildungsreise nach Italien 1575 in Rom an den Blattern starb.
Einen Schwerpunkt der Sammlung bildet der niederländisch-spanische Krieg, der sich teilweise auf niederrheinischem Territorium abgespielt hat. Festungen wie Wesel, Emmerich und Rees und vor allem Rheinberg, das wiederholt in spanische und niederländische Hände fiel, sind in zahlreichen Geschichtsbüchern dieser Zeit beschrieben und abgebildet worden.
Das berühmteste Werk waren die „Geschichtsblätter“ über die Ereignisse der Weltgeschichte zwischen 1530 und 1631, begonnen um 1570 von dem flämischen Kupferstecher und Verleger Franz Hogenberg (1539–1590) als „work in progress“ und nach dessen Tod fortgeführt von seiner Witwe und seinem Sohn Abraham Hogenberg. 1631 wurde es abgeschlossen und zählte dann 468 Flugblätter. Die Sammlung Robert Angerhausen besitzt drei unterschiedliche Ausgaben von dieser Kostbarkeit. In der Nachfolge dieses Standardwerks erschienen viele kleinere Ausgaben, meist kommentierte, in denen die Kupferstiche übernommen oder variiert wurden.
Der klevische Hof des Statthalters Johann Moritz von Nassau-Siegen übte eine große Anziehungskraft auf die niederländischen Künstler des 17. Jahrhunderts aus. Besonders nachdem Johann Moritz die Stadt zur Barockresidenz mit prächtigen Gartenanlagen ausgebaut hatte, wurde Kleve mit seiner imposanten Silhouette mit Burg und Stiftskirche ein beliebtes Motiv. Holländische Künstler wie Herman Saftleven, Abraham Begeyn und Jan van Call sind mit wunderbaren Beispielen in der Sammlung vertreten. Nach der Entdeckung einer Mineralquelle 1742 und der Umwidmung des barocken Gartens zum Kurpark blieb Kleve ein beliebtes Motiv für die topographischen Zeichner*innen aus Holland.
Der wichtigste Zeichner, der Kleve und den Niederrhein systematisch bereiste, war Jan de Beijer, der sich nach seiner Jugend in Emmerich in Amsterdam niedergelassen hatte. Ihm verdankt man heute eine zwischen 1735 und 1746 fast enzyklopädische Erfassung des Klever Landes. Nach seinen Zeichnungen wurden mehrere Bücher mit Kupferstichen herausgegeben, unter ihnen das bekannte, 1758–1762 in Amsterdam erschienene Album „Het Verheerlykt Kleefschland“. De Beijer fertigte meist in den Sommermonaten vor Ort Skizzen nach der Natur in Bleistift und Feder an – z.B. den Blick auf die Klever Burg von Süden, die er in seinem Atelier in den Wintermonaten ausarbeitete und später auf Bestellung von Sammler*innen für eher malerisch ausgeführte Blätter verwendete.
Von Hendrik Goltzius, der 1558 im niederrheinischen Mühlbracht geboren wurde und 1617 in Haarlem verstarb, sammelte Robert Angerhausen hunderte graphische Blätter: Einige sind eigenhändige (und daher heute äußerst begehrte) Kupferstiche. Der größere Teil wurde von seinen Schülern, u.a. Jacob Matham, nach seinen Zeichnungen gestochen. Goltzius lernte 1576 bei Dirk Volckertsz. Coornhert in Xanten, ein Jahr später siedelte er nach Haarlem um, wo er mit Karel van Mander und Cornelis Cornelisz. van Haarlem den Haarlemer Manierismus prägte.
Goltzius’ Kupferstiche sind wahre Meisterwerke der Virtuosität. Zu den Höhenpunkten zählen mehrere miniaturhafte Bildnisse und Serien. Die „Vier Jahreszeiten“ und die „Römerhelden“ belegen seine Kenntnisse Italiens, seines Sehnsuchtslandes, das er 1590–1591 bereiste. Einer seiner bekanntesten Kupferstiche ist der sog. „Herkules Farnese“, der die berühmte Skulptur aus einem ungewöhnlichen Blickpunkt zeigt, bewundert von zwei Männern, vielleicht Goltzius selbst mit seinem Stiefsohn Jacob Matham.
Wenzel Hollar schuf zwischen 1632 und 1635 mehrere Ansichten vom Niederrhein – Städte wie Ruhrort und Emmerich oder Festungen wie Schenkenschanz. Sein Werk umfasst ca. 3.000 Radierungen; es wird in allen graphischen Kabinetten der Welt geschätzt und gesammelt. In der „Sammlung Robert Angerhausen“ befinden sich 44 seiner Arbeiten.
Die „Sammlung Robert Angerhausen“ gehört zu einer der größten und kunsthistorisch anspruchsvollsten Teilsammlungen im Museum Kurhaus Kleve. Einen weiteren Meilenstein für ihre Publikation stellte im Jahr 2021 die Onlinestellung der Sammlung des Museum Kurhaus Kleve unter www.sammlung.mkk.art dar, auf der innerhalb weniger Jahre bereits über tausend Werke aus der „Sammlung Robert Angerhausen“ veröffentlicht werden konnten – zusammen mit jeweils gemeinfrei verwandbaren Abbildungen, Werkangaben, Beschreibungen, Literaturverknüpfungen und mehr.
Die Werke der „Sammlung Robert Angerhausen“ gehören zu den meist abgerufenen Werken auf der digitalen Sammlung.
Robert Angerhausen in seiner Ausstellung „Der Niederrhein im Bild“, Jülich, 1938
Guido de Werd (links) und Elisabeth Angerhausen (rechts), die Ehefrau von Robert Angerhausen, 1983 bei einem Festakt im Ratssaal der Stadt Kleve, während der Eröffnung der Ausstellung „Der Niederrhein. Die Sammlung Robert Angerhausen“
Blick in die Ausstellung „Der Niederrhein. Die Sammlung Robert Angerhausen“ 1983 im Städtischen Museum Haus Koekkoek in Kleve
Eine strahlende Elisabeth Angerhausen, die 1982 das opulente Buch über die Niederrhein-Sammlung ihres 1966 verstorbenen Ehemanns Robert Angerhausen präsentiert
Robert Angerhausen in seiner Ausstellung „Der Niederrhein im Bild“, Jülich, 1938
Guido de Werd (links) und Elisabeth Angerhausen (rechts), die Ehefrau von Robert Angerhausen, 1983 bei einem Festakt im Ratssaal der Stadt Kleve, während der Eröffnung der Ausstellung „Der Niederrhein. Die Sammlung Robert Angerhausen“
Blick in die Ausstellung „Der Niederrhein. Die Sammlung Robert Angerhausen“ 1983 im Städtischen Museum Haus Koekkoek in Kleve
Eine strahlende Elisabeth Angerhausen, die 1982 das opulente Buch über die Niederrhein-Sammlung ihres 1966 verstorbenen Ehemanns Robert Angerhausen präsentiert