Das Museum Kurhaus
Kleve bereitet für 2019 die erste große Einzelausstellung des amerikanischen
Künstlers Lucas Blalock in Europa vor. Blalock, der hier noch nahezu unbekannt
ist und in den USA gerade entdeckt wird, gilt als Vertreter einer neuen
innovativen Fotografie.
Mit einfachen
Alltagsobjekten schafft der Künstler schräge Tableaus, die an das
surrealistische Zusammentreffen von Nähmaschine und Regenschirm auf dem
Seziertisch von Lautréamont erinnern. Blalock inszeniert Esswaren, Plastikflaschen
und Handschuhe zu Stillleben, die er fotografiert und im Anschluss digital
manipuliert. Dabei wird der Mechanismus der virtuellen Interventionen nicht
vertuscht, sondern als bildnerische Komponente in die Arbeiten integriert:
Stempeln, Klonen, und Retuschieren verwandeln seine Arrangements in Bilder, in
denen analoge und digitale Elemente als gleichwertige Akteure auftreten und
interagieren.
Blalock lehnt sich in
seiner Arbeit an Bertolt Brecht an, der für seine Verfremdungseffekte
verschiedene Hilfsmittel entwickelte, um die theatralische Illusion zu brechen
und die Aufmerksamkeit des Publikums auf die sozialen und politischen
Implikationen seiner Stücke zu lenken. Blalock arbeitet mit ähnlichen
Strategien, indem er die Konstruktion seiner Bilder offenlegt und damit
tragisch-komische Kompositionen schafft, die sich auf die Geschichte der Kunst
genauso beziehen wie auf die amerikanische Konsumkultur und Politik. Seine
Stillleben zeigen Ramsch aus Billigläden, es sind Tiefpunkte der Warenwelt, mit
denen die missratenen Seiten in den Fokus gerückt werden. Ein Selbstporträt als
Kettenraucher, das an Philip Guston erinnert; eine braune Tür, die sich auf Ed
Ruschas Schokoladenraum bezieht; ein Stillleben, das an Cézannes
paradigmatische Inszenierung von Äpfeln erinnert. Nicht ohne Humor bedient sich
Blalock der Kunstgeschichte, um das Scheitern neu aufzulegen und zugleich
historisch zu verorten. Ein Bild muss dabei nicht notwendigerweise digital
bearbeitet werden, so ist die Arbeit The
Chocolate Door ein „objet trouvé“ – Blalock hat es genauso übernommen wie
er es vorgefunden hat.
Politische Aspekte
werden subtil über diese Arbeiten geschichtet, indem Blalock zum Beispiel einen
Ausstellungstitel wie „Ketchup as a Vegetable“ wählt, der auf einen absurden Skandal
aus der amerikanischen Politik der Reagan-Ära verweist. Um die Ausgaben für
Mittagessen an öffentlichen Schulen zu reduzieren, wurde vorgeschlagen, Ketchup
als Gemüse zu definieren, womit man gleichzeitig die vorgegebenen
Nahrungsstandards hätte einhalten können und dennoch Kosten gespart hätte.
Damit verweist Blalock auf die ständige Ausnutzung der ärmsten Schichten
Amerikas zugunsten profitabler Renditen. Eine Tatsache, welcher er nicht mit
dem moralischen Zeigefinger begegnet, sondern deren Absurdität er durch eine
wörtliche Auslegung und daraus resultierender tragisch-komischer Inszenierung
vor Augen führt.